Reiseberichte

Griechenland   1. Juni 2016, Florina, Griechenland
Über Albanien: Vorurteile

Ohrid-See

Ernest:

In unserer Gesellschaft urteilt man oft zu schnell über Dinge oder Menschen, ohne vorher eine sichere und gültige Information zu haben. Wir erfahren Einflüsse von den Medien, Freunden, der Familie oder Bekannten, die uns eine verzerrte Sicht von einer Person, einer Gruppe, einer Sache oder eines Landes vermitteln. Der große Fehler, den die meisten von uns begehen, ist, die Wirklichkeit nicht persönlich zu prüfen und uns selber eine Meinung zu bilden. Ich denke, die Vorurteile sind etwas, das zur Ausgrenzung und Ablehnung einer Sache oder einer Person führt. Es ist also wichtig, immer eine Wissensgrundlage zu haben, um korrekt urteilen zu können.

Die Ankunft in Albanien war ein wichtiger Schritt für uns. Nachdem wir vielfach von Leuten gewarnt worden waren und auch aufgrund dessen, was wir in Artikeln gelesen hatten, flößte uns dieses Land großen Respekt ein. Albanien aus erster Hand kennen zu lernen war aber genau das was wir in jedem Land, in das wir kommen, machen wollen: unsere eigenen Schlüsse ziehen, da wo wir gerade sind.

Wohl wahr, wenn der Aufenthalt im Land sehr kurz ist, drei bis vier Tage, ist es schwer, eine breite und gründliche Bewertung abzugeben. Aber ich glaube, die ersten Eindrücke sind sehr wichtig und oft entscheidend. Die Leute, die wir in diesen Tagen kennengelernt haben, haben uns mit offenen Armen aufgenommen, sowohl die in den Don Bosco Zentren, die wir besucht haben, als auch die anderen. Nie haben wir uns in gefährlichen Situationen gefühlt, sondern, im Gegenteil, die Leute waren sehr freundlich zu uns und auch bereit zu helfen, wenn wir es gebraucht haben, und zwar ohne jeglichen Eigennutz. Viele kamen zu uns, beeindruckt von den schwer beladenen Fahrrädern, und interessierten sich für unser Projekt. Sie wünschten uns viel Glück und ermutigten uns. Etwa 50% der Autofahrer grüßten uns beim Überholen durch freundliches Hupen. Ich muss allerdings sagen, dass die großen Lastwagen mit ihrem mächtigen Horn uns einen ordentlichen Schrecken einjagten … nun denn, die gute Absicht zählt.

Die Albaner haben uns auch von der aktuellen Lage des Landes erzählt. Die Korruption ist das größte Problem, das sie haben, und sehr verbreitet, mit fatalen Folgen. Es ist erschütternd, wenn man die neuesten Modelle von Ferrari und Mercedes sieht, die an Häusern vorbeifahren, die fast zusammenfallen. Zwischen Reich und Arm ist ein Abgrund.

Die Armen kämpfen jeden Tag, um ihr Leben und das ihrer Familien voran zu bringen, das sieht man sofort. Ich erzähle Euch eine Szene: wir hatten kurz vor der Grenze, noch in Albanien, in einem Dorf angehalten, um zu essen und uns zu stärken. In einem Restaurant zu essen ist dort billiger als wenn man sich in den entwickelten Ländern wie Deutschland, Frankreich, Spanien, etc. die Sachen im Supermarkt kauft und zuhause kocht. Nachdem wir beide Salat, Pommes, Hähnchen, Brot und Getränke verzehrt hatten, bezahlten wir die Rechnung von 1.200 Leks, das sind etwa 9 Euro. Die Besitzerin des Restaurants gab uns das Wechselgeld und wir haben ihr ein Trinkgeld von 200 Leks gegeben, also 1,50 Euro.

Der Blick dieser Frau in diesem Moment sagte alles: Überraschung, Dankbarkeit, Hoffnung, … In ihren Augen konnte man so viel sehen, die Anstrengung und der Kampf, dem sie sich ihr ganzes Leben gestellt hat, um sich und ihre Familie voran zu bringen.

Am gleichen Tag haben wir ein Zentrum besucht, in dem Ordensfrauen sich um von ihren Eltern verlassene Kinder kümmern. Viele werden verstoßen, weil sie irgendeine Art von Behinderung haben und sich die Familien in dieser Gesellschaft ihrer schämen. (Also solche Leute gibt es da auch.) Die Ordensfrauen machen da eine ausgezeichnete Arbeit, indem sie diesen Kindern eine neue Chance geben, da sie, wenn sie 6 Jahre alt sind, von meist amerikanischen oder europäischen Familien adoptiert werden können.

Wie setzen also unseren Weg fort auf der Suche nach Erfahrungen und neuen Wirklichkeiten, um so die Vorurteile hinter uns zu lassen, die nur Mauern in unseren Köpfen bauen.

{Übersetzung aus dem Katalanischen: Ursula}

Don Bosco Center Podgorica​^ Don Bosco Center Podgorica​ ^
 i20160601-02Interview für Vijesti​^ Interview für Vijesti​ ^
​Don Bosco Center in Tirana​^ ​Don Bosco Center in Tirana​ ^
 i20160601-05​Autobahn in Albanien^ ​Autobahn in Albanien ^
 i20160601-07Waisenhaus​^ Waisenhaus​ ^
​Letzte Kilometer in Albanien^ ​Letzte Kilometer in Albanien ^
Ohrid-See^ Ohrid-See ^
 i20160601-11Ohrid^ Ohrid ^
Ohrid^ Ohrid ^
Ohrid^ Ohrid ^
Ohrid^ Ohrid ^




Kommentare zu diesem Bericht:

Andrea Hofer schreibt:

01. Juni 2016, 21:37

Ich habe im Don Bosco Magazin von euch gelesen und bewundere euren Mut und euer Engagement. Ich werde euch auf eurer Reise in Gedanken immer begleiten und schicke euch ganz viel Kraft und Energie und viele nette Menschen, von denen ihr ja schon einige kennengelernt habt auf eurem Weg.

Webmaster schreibt:

01. Juni 2016, 22:31

Und wieder ist ein toller, beeindruckender Bericht entstanden. Eure persönlichen Einblicke in Land und Gesellschaft der Länder, die Ihr bereist, vermitteln Euch und Euren Lesern ein in vielen Teilen anderes, positiveres Bild als das gemeinhin wahrgenommene und ungeprüft übernommene.

Die Bilder von Euren Begegnungen mit den Menschen dort, von Kultur und Landschaft helfen dabei, das eigene Bild zu korrigieren, mindestens aber zu hinterfragen.

Euer Mut und Euer Einsatz für den Abbau von Vorurteilen sind beispielgebend.

Burkhard schreibt:

02. Juni 2016, 11:32

Danke, Ernest, für deinen kritischen und authentischen Bericht. Hier bewahrheitet sich das gefügelte Wort: REISEN BILDET. Es handelt sich dabei um Bildung aus erster Hand und eigener Erfahrung im wörtlichsten Sinne. Was nicht heißen soll, dass man nicht auch im Studium Kenntnisse über ein Land erwerben kann. Aber der Blick in die Augen einer vom Lebenskampf gezeichneten Frau spricht Bände. Ich bin gespannt auf eure Erfahrungen in Griechenland, wo die Faulpelze auf unsere Kosten leben!(oder habe ich da etwa Vorurteile?)

Sabine Arndt schreibt:

02. Juni 2016, 22:08

Ich bin immernoch dabei ... Lese Eure Berichte mit Spannung und bin immer wieder beeindruckt, welche Erfahrungen und positiven Dinge Ihr erlebt. Ehrlich, ich frag mich so oft, wie Ihr das packt . Aber Eure positive Einstellung, Eure wundervolle Art mit Menschen umzugehen, zeigt immer wieder , Ernest & Jacob Ihr beiden habt es einfach drauf !!! Freu mich , daß bis jetzt , alles so reibungslos klappt ! Bleibt wie Ihr seit, sicher wird es den einen oder anderen Weg geben, der Euch vielleicht zu "stoppen" droht...doch ich weiß IHR seid tolle Jungs und werdet Euer Ziel erreichen *wehe wenn nicht* 😉 Also geniesst die prima Menschen,,berichtet wenn Ihr Zeit u Lust habt über Euer Abenteuer und lasst es Euch durch nix und niemanden verderben ! Ernest , Jacob , Ich glaub an Euch !!!!!

Joan Roig schreibt:

03. Juni 2016, 08:12

Nois!! que es pot dir!! ens aneu sorprenen dia a dia, em sento ben orgullós d'aquesta vostre experiència, no cal dir que us continuarem donant suport, si en aquesta societat en la que vivim falta alguna cosa, aquesta vosaltres la transmeteu amb escreix, una forta abraçada!!

Carles Rivas schreibt:

09. Juni 2016, 10:17

Felicitats Ernest! Per molts anys. Desitjo que gaudeixis molt d'aquesta aventura i que et faci crèixer i t'enriqueixi. Una forta abraçada.
(No cal dir l'enveja que tinc d'anar amb vosaltres en la bici!!)

Manfred Müller schreibt:

09. Juni 2016, 20:29

Hallo ihr zwei, Ernest, alles Gute zum Geburtstag, auch von der Oma aus Bonn!!! Soll euch ganz lieb von Ihr grüßen und sagen, das sie euch in jeden Abendgebet mit einbezieht.

Quico Boqueras schreibt:

09. Juni 2016, 23:32

Hola Ernest, quina passada la vostra bicicletada! Per molts anys noi! Això d'anar passant per diversos països a poc a poc té un sentit molt gran de fraternitat universal, també fa pensar en el patiment de moltes persones, migrants, que ho han de fer per força, fugint de la violència. M'encanta aquest missatge de PAU del qual sou portadors. Una bona abraçada!

Benedict schreibt:

10. Juni 2016, 11:07

Toller Bericht, Ernest. Danke für's teilen eurer EIndrücke. Die Kluft zwischen Arm und Reich gibt es bei uns auch. Wir müssen nur etwas genauer hingucken, als die Albaner.

Heimgard und Ewald schreibt:

14. Juni 2016, 21:23

Hallo Jakob und Ernest!
Mit Interesse verfolgen wir euren Weg und freuen uns mit euch, dass ihr so viele schöne und erfüllende Begegnungen habt.Wir wünschen euch auch weiterhin alles Gute und viel Unterstützung durch die Menschen, denen ihr begegnet.Aber bei eurem sonnigen Gemüt machen wir uns keine Sorgen, dass ihr nicht überall gerne gesehen seid!Wir begleiten euch in Gedanken! Heimgard und Ewald

Martin schreibt:

17. Juni 2016, 09:28

Why don't you write more clear that you are on a missionary mission?

Martin Heilscher schreibt:

22. Juni 2016, 07:51

Hallo, ich werde meinen Namen zukünftig ausschreiben. Da nun noch ein Martin mitschreibt. Mir ist nämlich euere Menschlichkeit, die Geschichten und euere Träume viel wichtiger als vom Missionen zu lesen. Ich bleibe weiter neidisch, seit Rothenburg, an euerer Seite.




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