Reiseberichte

Iran   10. November 2016, Teheran, Iran
Im Iran ist es illegal, aber...

Mosein und Familie

Jakob & Ernest:

Stellt euch einmal einen ganz normalen Tag in Barcelona vor: Du hast vor zum Strand zu gehen, um dort deine Freunde zu treffen. Schnell die SHORTS und das TANKTOP überstreifen und es geht raus auf die Straße Richtung Bushaltestelle. Glücklicherweise kommt der Bus schnell und du setzt dich hin ohne dir Gedanken machen zu müssen, wo du dich eigentlich hinsetzten darfst. Am GEMISCHTEN STRAND angekommen läufst du zielstrebig zum Meer. Nach einer kurzen Erfrischung kommst du aus dem Wasser und siehst deine Freunde, die mit einem Sixpack BIER in der Hand auf dich zukommen. Man überlegt zusammen, was man denn so am Wochenende unternehmen möchte. Der eine will zusammen mit seiner FREUNDIN ins KASINO gehen, während ein anderer einen DISCO-Abend vorschlägt, bei dem man ordentlich TANZEN gehen kann. Du selbst guckst auf FACEBOOK nach einer interessanten Veranstaltung. Einer deiner Freunde holt eine Musikbox raus, und über YOUTUBE und andere MUSIK-CHANNELS werden verschiedenste Songs abgespielt.

Die Dinge, die wir mit Großbuchstaben markiert haben, sind offiziell verboten im Iran. Das bedeutet wiederum nicht, dass die Iraner sich an diese Regeln halten. Den Iran kann man in zwei Welten einteilen. Die eine Welt ist die, die wir aus den Medien und den Nachrichten kennen, es ist die Welt der Mullahs, die ein autoritäres Regime führen und die mit einem massiven Überwachungs- und Sicherheitsapparat das Volk im Zaum halten. Die andere Welt ist die der normalen Leute. Sie sind wie du und ich. Sie gehen arbeiten, haben Familien und leben ihr Leben im Inneren der eigenen vier Wände, wo sie sich einigermaßen sicher fühlen. Sie sind unglaublich herzlich, offen und sozial.

Während unseres fast zweimonatigen Aufenthaltes im Iran konnten wir beide Welten kennenlernen.

Mit der Angst im Nacken, dass wir ins Gefängnis müssen aufgrund von kurzen Radlerhosen (was natürlich völliger Humbug ist) sind wir die ersten Kilometer im Iran mit langen Hosen gefahren. Als wir dem ersten iranischen Fahrradfahrer begegnet sind, der kurze Hose trug, wurden wieder die knackigen Radlershorts ausgepackt und unsere Oberschenkel blitzen anbissfreudig in der iranischen Wüstensonne.

Unsere Überschrift lautet:“ Es ist illegal, aber…“. Diesen Spruch haben wir unzählige Male von Iranern gehört. Fast alle haben eine Satellitenschüssel auf dem Dach, die es möglichen macht, Sender aus aller Welt zu empfangen (was natürlich verboten ist). Nach dem Eintreten in eine Iranische Wohnung oder in ein Haus verschwinden die Kopftücher der Frauen, lange Hosen werden gegen kurze - oder Jogging-Hosen eingetauscht und man setzt sich im Schneidersitz zusammen auf den Teppich im Wohnzimmer. Nach 5-6 Teerunden (hier Cay genannt) und ein paar leckeren, getrockneten Früchten kommt man meistens auf die Politik im In und Ausland, auf unsere Reise und natürlich auf die unterschiedlichen Kulturen zu sprechen.

Der überwiegende Anteil der iranischen Bevölkerung verabscheut das Regime und ihre Führer. Wenn sie sich in Sicherheit wähnen, nehmen sie kein Blatt mehr vor den Mund und lassen ihren Frust an den religiös-politischen Führern ihres Landes aus.

Nun kommen wir auf ein spezielles Thema zu sprechen: den Alkohol. Natürlich haben wir uns vorher mental und körperlich auf die harte Durststrecke im Iran vorbereitet. Kein kühles, erfrischendes Bierchen und kein leckerer, fruchtiger Wein. Es sollte doch ganz anders werden…

In unserer Zeit im Iran durften wir selbstgebrautes Bier, tollen Wein und Rosinenschnaps (hier Arak genannt) genießen, was unseren inneren Seelenfrieden wieder herstellte.

Das Bier wird wie folgt hergestellt: stellt euch ein herkömmliches Badezimmer vor, bei dem ihr die Fliesen am Boden nicht mehr sehen könnt, da alles vollgestellt ist von leeren, nicht alkoholischen Bierflaschen. In einer Ecke des Badezimmers befindet sich ein 50-Liter-Fass, welches mit einer hellbräunlichen Flüssigkeit gefüllt ist. In diesem Fass gärt seit 2 Wochen nichtalkoholisches Bier zusammen mit einem Schuss Hefe, Salz und Zucker. Unser Gastgeber präsentiert uns stolz seine Aquariumpumpe, die das halbfertige Bier von dem Fass in die zahlreichen Flaschen transportieren soll. Nach einer halben Stunde sind alle Flachen voll und verschlossen. Nach noch einmal 10 bis 14 Tagen sind die Bierchen genießbar.

Ein anderes Mal waren wir zu Gast bei einem reichen Geschäftsmann in seinem Büro. Er fragte uns, ob wir Tee oder lieber russischen Wodka trinken wollen…

In jeder größeren Stadt im Iran gibt es einen unerschöpflichen Schwarzmarkt, der alle Bier-, Wein- und Schnapssorten der Welt verkauft.

Gastfreundschaft

Von vielen anderen Reisenden haben wir von der unglaublichen Gastfreundschaft der Iraner gehört, was wir nun nach zwei Monaten zu 100% bestätigen können. Unzählige Male waren wir zu Gast bei Iranern. Vor ein paar Wochen waren wir zu Gast bei einem Imam in einem kleinen Dorf in der Nähe des kaspischen Meeres. Es war Freitag und wir begleiteten ihn zur örtlichen Moschee. In der Moschee bekamen wir leckeres Essen und Tee gebracht, während um uns herum Jung und Alt am Quatschen und Beten war. Zu dieser Zeit feierten die schiitischen Muslime (der Iran ist fast ausschließlich schiitisch) das Ashura-Fest, das an den Märtyrertod des Imams Hossein vor 1400 Jahren erinnert. Es ist üblich, den Nachbarn, Freunden und vor allem armen Menschen Essen zu geben.

Während unserer Reise wurden wir mehrmals angehalten, und Menschen luden uns in Ihre Häuser oder Shops ein, um zu Essen, zu Trinken oder sogar zum Schlafen. Viele Autofahrer hielten an und gaben uns Wasser, warmen Tee, frisches Obst und warmes Brot. Nach nur kurzer Bekanntschaft mit Fremden war jeder bereit zu Helfen oder Auskunft zu geben. Es ist einfach unglaublich schön zu sehen, dass das, wofür wir strampeln, immer noch existiert: Humanität.

Taarof

Taarof ist eine der kompliziertesten Gepflogenheiten in der iranischen Kultur. Den Begriff versteht man am besten anhand eines kurzen Beispiels:

Wir waren auf Suche nach einer Unterkunft irgendwo im Norden des Irans. Seit ein paar Tagen fuhren wir zusammen mit zwei Iranern, die im Laufe unseres Aufenthaltes richtig gute Freunde wurden. Wir brachten unsere Bikes auf einer belebten Einkaufstraße zum Stehen. Plötzlich hielt ein sportliches Auto neben uns, aus dem zwei gut gekleidete Männer ausstiegen und uns ansprachen.

Wir erzählten wie immer von unserem Projekt und unserer Suche nach einer Unterkunft. Es wurden Telefonnummern ausgetauscht und die Jungs düsten davon. Wenige Minuten später erhielt Reza (einer der Radfahrer) einen Anruf von einem der jungen Männer im Auto, welcher uns in eine angemietete Villa einlud.

Wir wähnten uns schon in einer heißen Badewanne mit Blick aufs Kaspische Meer, als wir von Reza brutal aus unseren Tagträumen gerissen wurden. Er sagte, dass wir das Angebot nicht annehmen könnten, da es sich um Taarof handele.

Beim Taarof geht es darum ein Angebot zu machen oder abzulehnen, obwohl man eigentlich das Gegenteil möchte. Für uns war es oft schwierig, die Situationen richtig einzuschätzen. Meint es das Gegenüber nun ernst mit dem Angebot oder nicht? Die Wahrscheinlichkeit liegt bei 50%, dass ein Iraner wirklich das sagt, was er meint beim Taarof. Die Iraner haben generell einen hohen Respekt gegenüber Ausländern.

Zum Abschluss unseres Berichtes wollen wir ein paar speziellen Leuten unseren größten Dank aussprechen. Ohne Hamed, Marcia, Reza, Hussein, Mohammad und Javad mit ihren Familien wären wir hier im Iran gescheitert! Ganz einfach und ehrlich. Wir haben falsch mit dem Geld kalkuliert, da das Bankwesen im Iran noch keine Verbindungen zu dem amerikanischen und europäischen Banksystem hat. Als wir unsere vielen Rückschläge erlebt haben im Iran, tauchten aus dem Nichts Engel in menschlicher Gestalt auf und halfen uns über die schwierigen Momente hinweg. Sie wurden zu wirklich guten Freunden und Vertrauten durch diese bedingungslose Menschlichkeit. Diese Menschen sind wunderbar, offen und herzlich. Wir raten jedem, dieses Land und dessen Leute kennen zu lernen und sich nicht von einem totalitären Regime abschrecken zu lassen, welches die islamische Religion missbraucht, um ihr nicht nachzuvollziehendes Handeln in irgendeiner Weise zu begründen. Der Islam ist eine friedliche Religion, die einen viel zu schlechten Ruf in der westlichen Gesellschaft hat aufgrund von fanatischen Terroristen, die Ihr Handeln mit ihrer Religion rechtfertigen wollen. Am Sichersten haben wir uns in den einzigen beiden islamischen Ländern auf unserer Reise gefühlt (Türkei und Iran). Hier wurden die Gastfreundschaft und die Menschlichkeit am stärksten vertreten.

Nach einer langen Wartezeit auf das indische Visum in Teheran freuen wir uns jetzt riesig auf das neue Land, die Kultur und die Erfahrungen.

Teheran^ Teheran ^
Mosein und Familie^ Mosein und Familie ^
 i20161110-03Höchster Pass: 2.700 m^ Höchster Pass: 2.700 m ^
Höchstes Camping: 2.500 m^ Höchstes Camping: 2.500 m ^
Damavand (5.660 m)^ Damavand (5.660 m) ^
Eingeladen vom Imam^ Eingeladen vom Imam ^
 i20161110-08 i20161110-09 i20161110-10 i20161110-11Verschwitzte Sachen trocknen^ Verschwitzte Sachen trocknen ^
Nebel^ Nebel ^
 i20161110-14Zu Gast beim Roten Halbmond^ Zu Gast beim Roten Halbmond ^
[Angepasste Übersetzung des gebrochenen englischen Textes]<br>* Im Namen des Schöpfers [der] Schönheit *<br>Hallo und viel Hingabe den Freunden Ernest und Jakob.<br>Weil Ihr heute Abend bei uns seid, sind wir sehr glücklich.<br>Wir arbeiten in einem benachteiligten Bereich, unsere Möglichkeiten sind sehr gering.<br>Weil wir Euch nicht mehr Hilfe geben können, sind wir sehr deprimiert.<br>Ich hoffe auf eine gute Nacht für uns alle.<br>Wir lieben [mögen] Euch sehr.^ [Angepasste Übersetzung des gebrochenen englischen Textes]
* Im Namen des Schöpfers [der] Schönheit *
Hallo und viel Hingabe den Freunden Ernest und Jakob.
Weil Ihr heute Abend bei uns seid, sind wir sehr glücklich.
Wir arbeiten in einem benachteiligten Bereich, unsere Möglichkeiten sind sehr gering.
Weil wir Euch nicht mehr Hilfe geben können, sind wir sehr deprimiert.
Ich hoffe auf eine gute Nacht für uns alle.
Wir lieben [mögen] Euch sehr. ^

 i20161110-17Auf der Fahrt zur nächsten Stadt nach gebrochenen Speichen^ Auf der Fahrt zur nächsten Stadt nach gebrochenen Speichen ^
Exzellenter Fahrradmechaniker^ Exzellenter Fahrradmechaniker ^
 i20161110-20Karawanserei an der Seidenstraße^ Karawanserei an der Seidenstraße ^
Durch die Wüste^ Durch die Wüste ^
Besonderer Dank an den Roten Halbmond für die Hilfe^ Besonderer Dank an den Roten Halbmond für die Hilfe ^
Javad mit Familie^ Javad mit Familie ^
James Bond​^ James Bond​ ^
Jason Statham​^ Jason Statham​ ^
Iranische Architektur^ Iranische Architektur ^
 i20161110-28Sabzevar​^ Sabzevar​ ^
 i20161110-30Verrückter Transport^ Verrückter Transport ^
Kölsche Jungs^ Kölsche Jungs ^
Tanzen^ Tanzen ^
Auf den Shirpala hinauf mit unserem Freund Reza^ Auf den Shirpala hinauf mit unserem Freund Reza ^
 i20161110-35 i20161110-36 i20161110-37 i20161110-38




Kommentare zu diesem Bericht:

Burkhard schreibt:

10. November 2016, 21:45

Danke für euren sehr informativen und anschaulich geschilderten Bericht darüber, wie ihr den Iran erlebt habt. Er gibt Hoffnung, dass die Iraner dieses totalitäre, menschenfeindliche Regime beseitigen werden, weil es sich offensichtlich nur mit Gewalt an der Macht hält und nicht mit der Zustimmung des Volkes. Ihr glaubt nicht, wie mich eure selbst erlebten und niedergeschriebenen Zeilen gefreut haben und wie ich sie verschlungen habe!
Für eure Weiterfahrt ins Abenteuer Indien alles Gute.
Jetzt noch die schwierige Aufgabe in der Sicherheitsabfrage lösen, und ab geht die elektronische Post an euch mit vielen lieben Grüßen von
Burkhard

Joan schreibt:

11. November 2016, 08:41

Que be nois!! em considero afortunat de participar d'aquesta història!! es cert que sovint podem parlar per wapsap o facetime, però quan llegeixo els vostres informes meditats, puc gaudir de les vostres vivències d’una manera més serena i coneixent molts detalls que particularment a mi em fa feliç en saber que hi ha tanta gent de bona voluntat per aquests mons de Déu. Cal valorar el vostre gest també, sou joves, oberts, empàtics.... i transmeteu un “savoir-faire” que les persones detectant i fa que hi hagi química entre vosaltres, aquesta experiència uns permet gaudir de les persones i que elles gaudeixin de vosaltres, afortunadament moltes vides i relacions es construeixen a partir de gestos com els vostres.
Una forta abraçada a tots dos!!

Gvantsa schreibt:

15. November 2016, 12:07

Ich liebe diedes Bericht😍👏👏👏👏

lars schreibt:

16. November 2016, 05:28

jungs richtig schöner artikel, was ihr erlebt ist der hammer habt noch ganz viel spaß
und meldet euch sobald ihr in china seid:*)

Martin Heilscher schreibt:

16. November 2016, 08:37

Unsere lieben Freunde, wie schön, dass es euch gut geht. Es tut so gut euere positiven Zeilen zu lesen, nach den letzten. Durch euch lernen wir die Menschen und Kulturen aus fernen Ländern. Es tut gut zu lesen, dass ihr überall Menschlichkeit erfahren habt. Dass es Menschen gibt die trotz Angst vor Repression, euch aufnehmen, beherbergen und verköstigen. Und vor allem einen offenen Austausch mit euch eingehen. Von dieser Gastfreundschaft können viele Europäer noch was lernen. Euere Fotos sind einmalig. Keep going in peace.




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