Reiseberichte

Deutschland   18. April 2016, Leutershausen, Deutschland
Über Deutschland

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Jakob:

Nun ist die erste Woche unserer Reise vorbei. Wir sind den Rhein bis Mainz heraufgefahren, haben dort einen Tag Pause eingelegt und sind dann in den darauffolgenden Tagen den Main und die Tauber entlang geradelt und befinden uns jetzt an den Ufern der leicht Hochwasser-tragenden Altmühl. In den letzten Tagen waren wir zu Gast bei verschiedenen Leuten, die alle unglaublich hervorragende Gastgeber waren. Wir haben als fremde, schwitzende und durchnässte junge Männer an Haustüren geklingelt und nach einem Platz zum Aufstellen unseres Zeltes gefragt und natürlich nach dem Quell des Lebens, dem Wasser. Was uns darauf geboten wurde übertraf unsere heruntergeschraubten Erwartungen und Bedürfnisse um Längen. Wir bekamen teilweise ein Bett geboten, durften Duschen, unsere Kleider wurden gewaschen und gebügelt, Frühstück war morgens vorbereitet und tolle, tiefsinnige Gespräche entwickelten sich abends unter Einfluss leckerer, örtlich gebrauter Biere.

Die Humanität, für die wir strampeln, die wir hoffen zu fördern und zu entdecken, finden wir jeden Tag in den zahlreichen Menschen, die uns begegnen und uns auf verschiedene Weise motivieren und helfen.

Vor einer Stunde saßen wir auf einer Bank, aßen ein überdimensionales Baguette mit Wurst und Olivenöl, dazu die letzten, herausgekratzten Reste aus dem Nutella-Glas, als ein alter Mann auf einem Fahrrad neben uns anhielt. „Jungs, woher kommt Ihr denn und wohin geht’s denn noch?“ Wir antworteten mit den eingeübten und mehrmals wiederholten Sätzen. Als wir stolz unsere geplanten Zielpunkt mitteilten, wirkte der Mann nicht sehr überrascht, was uns wiederum sehr überraschte. Nach einer Minute wurde uns klar, wen wir vor uns hatten - Burkhard Rühl, ein Mann der vor 28 Jahren mit seinem Fahrrad 12.000 Kilometer über die Türkei, Syrien, die Sinaihalbinsel bis an die Westküste Afrikas geradelt ist. Unsere Begeisterung und Faszination für diesen Mann und seine Geschichte war uns an unseren Gesichtern abzulesen. Kurzum, der Zeltplatz und ein paar gute Tipps vom Fachmann waren uns für heute Nacht sicher. Eine halbe Stunde später ließen wir uns in dem Garten des Mosaikkünstlers nieder und Ernest liest gerade in Burkhards Buch „Eine Radreise von Nürnberg nach Afrika“ während ich schreibe ...


Ernest:

Noch sind wir nicht aus Deutschland raus, aber nach 700 km, die wir in 10 Tagen zurückgelegt haben, kann ich nur betonen, wie interessant es ist, per Fahrrad zu reisen. Man kommt nur langsam voran, aber das erlaubt einem, die verschiedenen Eigenheiten jeder Region zu entdecken, durch die man kommt. Die Landschaft ändert sich so, dass man sie mit der schon durchfahrenen vergleichen kann. Der Baustil der Kirchen und ihrer Türme lassen Dich erkennen, in welchem Teil des Landes du dich befindest. Die Sprache ist mit das, was am stärksten wechselt. Deutschland ist sehr reich an Dialekten, das kann ich nach 700 km bestätigen. Es ist frustrierend, dass ich, nachdem ich die Sprache gelernt habe, in nur 150 km Entfernung von Bonn, wo ich vier Jahre gelebt habe, nicht mal einem Gespräch folgen kann. Aber so habe ich die Gelegenheit, dieses Land und seine Kultur tiefer kennen zu lernen, ein Land, das für die Entwicklung meiner Person entscheidend ist.

Was ich aber bis jetzt besonders hervorheben möchte, das ist der menschliche Umgang und das Vertrauen, das wir empfangen haben. Vielleicht liegt es auch an der täglichen Berichterstattung in den Medien, dass das Misstrauen und die Angst unter uns so verbreitet sind. Fast immer bilden die schlechten Nachrichten die Aktualität, von der wir uns natürlich nicht abwenden können, denn das alles geschieht ja und ist real, aber gleichzeitig passieren gute Dinge, die im Hintergrund bleiben, weil sie eben nicht diese Schaulust und Sensationsgier ansprechen.

Ich gehöre zu den Menschen, die glauben, dass das Gute das Böse besiegen kann, und diese Idee ist in den vergangenen Tagen entschieden bestätigt worden. Am Spätnachmittag, wenn wir einen Schlafplatz suchen, gehen wir zu einem Haus und fragen die Bewohner, ob sie uns in ihrem Garten unsere Zelte aufbauen lassen und etwas Wasser zum Kochen geben können. Und am nächsten Morgen ziehen wir weiter beschenkt mit einem Abendessen, Duschgelegenheit, Frühstück, Gläser selbstgemachter Marmelade und sehr persönlichen und leidenschaftlichen Gesprächen mit Leuten, die wir gar nicht kannten. Diese Antwort der Leute lässt mich mehr an uns, an die Menschheit glauben.

Wir sind in München, noch 100 km bis zu den Alpen, der ersten großen Bewährungsprobe, sowohl körperlich als auch psychisch. Wir fühlen uns gut und bereit und motiviert, die Herausforderung anzunehmen.

{Übersetzung aus dem Katalanischen: Ursula}

 i20160418-01 i20160418-02 i20160418-03 i20160418-04 i20160418-05Burkhard Rühl mit seinem Fahrrad von der 12.000 km Reise nach Afrika 1988^ Burkhard Rühl mit seinem Fahrrad von der 12.000 km Reise nach Afrika 1988 ^
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Kommentare zu diesem Bericht:

martin schreibt:

22. April 2016, 00:39

"Fremde sind Freunde,
die wir noch nicht kennen"!
Schön wieder was von euch zu hören!

Joan Roig schreibt:

22. April 2016, 08:05

Quina experiència nois!! em poso a la vostre pell i imagino la satisfacció i gaudi interior que teniu, disfruteu del moment!! és únic i irrepetible!!

Josevi Forner schreibt:

23. April 2016, 12:25

Endavant Ernest! Estem amb vosaltres!

Sarah Schmidt schreibt:

23. April 2016, 12:54

Das sieht ecbt toll aus. Ich freue mich, dass euer Projekt euren Erwartungen entspricht oder sie übertrifft. Weiter so, es macht Spaß euch zu folgen...

Imma Borrós schreibt:

23. April 2016, 23:23

Una bona experiència!
Ernest, ja he vist l,estelada.
Bon viatge!!

Steffi schreibt:

26. April 2016, 18:07

Mir kommen immer noch Tränen in die Augen, wenn ich etwas von Euch lese. Es berührt mich sehr, was Ihr erlebt - ich bewundere Euren Mut und beneide ein wenig Eure Freiheit und was sich daraus an Eindrücken und Gefühlen ergibt. Alles Gute für die Alpenstrecke und weiter solch großartige Hosts! Meine Gedanken fahren immer wieder ein Stück auf dem Gepäckträger mit ;-)

Joan Roig schreibt:

27. April 2016, 08:04

Ànims nois, a partir d’aquesta tarda, tindreu una finestra de gairebé 3 dies de bon temps!! Encara que als Alps a les tardes aquesta època, pot haver-hi tempestes!! Una abraçada!!

Joan Roig schreibt:

27. April 2016, 08:05

Eine Radreise, quin regal lo d'aquest bon home, sou afortunats!!

Burkhard Rühl schreibt:

28. April 2016, 09:22

Ich erlebe und fühle mit euch!Und bin gespannt auf jeden euren Tag.

Manfred Müller schreibt:

28. April 2016, 14:17

Hallo Jungs, schöne Eindrücke die man von euch bekommt. Hoffe das ihr weiterhin viele gastfreundliche Menschen begegnet und öfters mal eine Dusche und ein Bett zur Entspannung auf eure lange Reise angeboten bekommt.
Haltet die Ohren steif und alles Gute auf eure weiteren Reise.
Gruß Manfred ( Caritas)

renarte schreibt:

28. April 2016, 16:21

Viel Glück Jungs ... ich werde mit euch reisen..

Eli Melero schreibt:

02. Mai 2016, 08:57

Oléeee Ernest!!! Amaaaazing!!!!Disfruteu de cada moment!! cheers from California!

Albert roig schreibt:

03. Mai 2016, 02:06

Pell de gallina, a seguir pedalant i a seguir compartint com ho feu perque histories com aquestes enganxen moltíssim. Tota la acolllida que rebeu es perque qualsevol sent orgull de poder formar part i colaborar en la vostra història! Endavant nens!!!!!!

Uli & Isi schreibt:

05. Mai 2016, 20:38

Hallo
Wir hoffen das ihr den Loiblpass gut gemeistert habt und beim Schönwetter in Ljubljana angekommen seid.
Wir fahren in Gedanken mit euch mit.

LG.Isi und Uli

Katrin schreibt:

09. Mai 2016, 19:20

Bin zufällig auf euren Blog gestoßen! Ihr seid ja der Hammer :D Wenn ich früher davon erfahren hätte, hätte ich euch erst mal ein schönes Carapaket in München geschnürt!
Wünsche euch ganz viel Ausdauer und Kraft für euren Weg! Bin jetzt schon sehr gespannt auf die nächsten Berichte!




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